Leseprobe – Kapitel 1: Geiseln der Froschköche (Desillusionierung)

1.1. Naivität und die Reise nach Jerusalem

Rd. 5 Mio. offizielle Arbeitslose und weitere (nicht mitgezählte) 10 Mio. Arbeitsuchende (siehe 2.1.1.) suchen einen Ausweg aus der Armutsfalle, weil man mit Billigjobs keine Familie ernähren kann. Und finden manche von ihnen einen „echten“ Job, nehmen sie ihn im nationalen/globalen Nullsummenspiel jemand anderem weg. Der Kampf um Arbeitsplätze ist wie das Kinderspiel „Reise nach Jerusalem“. Mit dem Unterschied, daß die wenigen Sieger immer mehr Ausgeschiedene finanzieren müssen. Die „Lösungen“ der Experten beschränken sich im Wesentlichen auf immer niedrigere Löhne und/oder noch mehr Schulden. Egal, in welchen politischen Bereich man sich vertieft – informierte Wähler sind restlos desillusioniert über die Kompetenz und die Motive der Parteien (7.4., 8.1.).

Das Fatale am Niedergang unserer Systeme ist nicht nur der sinnlose Versuch, Fehlkonstruktionen durch Kosmetik zu retten. Fatal ist auch, daß der Niedergang in Zeitlupe abläuft, so daß nur die Wenigsten erkennen können/wollen, daß die gegenwärtige Krise (Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem, Rentensystem, Bildungssystem, Steuersystem, Finanzsystem, politisches System, Geburtenrate, etc.) erst ein Vorausläufer einer Abwärtsentwicklung ist, die in den nächsten Jahrzehnten existenzgefährdende Ausmaße annehmen wird. Da es nicht stets gleichmäßig abwärts gehen kann, bilden sich immer wieder Wellen und Stufen, in denen es scheinbar kurz wieder aufwärts geht oder sich die Entwicklung stabilisiert. Langfristig geht es jedoch unaufhaltsam abwärts (siehe z.B. Grafik unter http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:ArbeitsloseBRD.PNG). Die Regierungsparteien nutzen jeden noch so kleinen zwischenzeitlichen Aufwärtstrend als angeblichen Beweis, daß ihre Politik funktioniert. Und bei jeder Treppenstufe heißt es, die Lage habe sich stabilisiert.

Warum ist das Zeitlupentempo so gefährlich? Ein Blick ins Kochbuch soll es verdeutlichen: Wirft man einen Frosch in einen Topf mit heißem Wasser, springt er umgehend wieder heraus. Setzt man den gleichen Frosch aber in wohltemperiertes Wasser und erhöht nur langsam die Temperatur, fühlt er sich wohl, genießt die Wärme, macht dann schlapp und läßt sich kochen, bis er tot ist. Kommt Ihnen das bekannt vor? Während der Frosch keine Ahnung hat, wie ihm geschieht, sind wir nur zu naiv bzw. zu träge, um auszusteigen und die Froschköche zu entsorgen. Tragikomisch ist dabei der Umstand, daß wir nur als vereinte Mehrheit handlungsfähig sind und auch die intelligenten Frösche mit der gleichgültigen Masse kochen müssen. Lediglich reiche Frösche haben es besser und ziehen in Steueroasen um.

Z.B. die wachsende Armut in Deutschland wird von den Froschköchen durch den Vergleich mit der Armut der 3. Welt relativiert. Eine solche Relativierung offenbart, wie bescheiden die Ziele sind, an denen die Froschköche die Gesellschaft ausrichten wollen. Die Froschköche erzählen den unteren beiden Dritteln der Gesellschaft, sie müssten den Gürtel enger schnallen. Dummerweise kann man den Gürtel überhaupt nicht so eng schnallen, als das irgendeines unserer Probleme dadurch auch nur ansatzweise gelöst würde. Im Gegenteil. Die Froschköche ändern nicht einmal die Rezepte, sondern erhöhen die Temperatur im Kochtopf und nennen das „Systemwechsel“. Wenn ihre Reformen nicht wirken, sind eben weitere Reformen nötig – oder anders ausgedrückt: Verbrannte Suppen brauchen nach Ansicht der Froschköche noch mehr Hitze. Ein Klassiker der Froschkoch-Methoden ist das Spiel mit der Hoffnung auf die Zukunft. In einer nicht genau datierten Zukunft (nach dem nächsten Wahltermin) wird angeblich alles besser, weil die „Reformen“ angeblich erst danach wirken. Und (um eine bekanntere Metapher zu verwenden) wie ein Esel mit der unerreichbaren Möhre vorm Maul laufen wir Bürger/Wähler brav weiter.

Froschköche findet man vor allem in den Spitzen der etablierten Parteien. Aber auch viele Journalisten, Wirtschaftsführer und so genannte „Experten“ gehören dazu. Weil sie selbst keine Visionen besitzen, attackieren sie Visionäre gern mit dem Zitat: „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“. Ist die große Vision, die alle wesentlichen Probleme unserer Nation löst, also unmöglich? Nein. Hier ist sie, und nach diesem Buch werden Sie verstehen, warum die Lösung nur von jemandem kommen kann, der nicht „dazugehört“. Aus Gründen der Überschaubarkeit finden Sie die gesellschaftlichen und globalen bzw. außenpolitischen Themen in weiteren Büchern (siehe Vorwort). Hier geht es zunächst „nur“ um unseren Arbeitsmarkt und unser Wirtschafts-, Steuer-, Renten-, Finanz-, Gesundheits- und politisches System. Spätestens nach diesem Buch werden Sie hoffentlich zustimmen, daß alle diese Systeme größtenteils unreformierbare Fehlkonstruktionen sind. Sie werden sehen, daß Parteien und „Experten“ nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Der Weg der etablierten Parteien führt direkt in die Massenarmut.

„Schwarzmalerei, Katastrophenfolklore, Zweckpessimismus!“ schreien an dieser Stelle die Froschköche. Hüten wir uns vor jenen, die Lösungen sabotieren. Wer unsere existentiellen Probleme treffend analysiert (z.B. Gabor Steingart: „Deutschland – Der Abstieg eines Superstars“, etc.), läuft ebenso Gefahr, als Schwarzmaler tituliert zu werden, wie die Millionen Bürger, die entweder vom Abstieg in die Armut bedroht oder bereits dort angekommen sind. Lobenswert sind die Versuche, Deutschlands Qualitäten ins Bewußtsein zu rufen, durchaus. In sehr vielen wichtigen Dingen ist Deutschland Weltspitze. Warum haben wir dann eine solche Krise und bekommen Arbeitslosigkeit, Staatsschulden, Armut etc. nicht in den Griff? Warum nützt Optimismus nicht das Mindeste? Weil sich unsere Qualitäten durch ein fehlkonstruiertes Steuer- und Wirtschaftssystem nicht entfalten können. Die Lage ist weitaus bedrohlicher als es die täglichen Gruselmeldungen aus den Medien vermitteln – und in Anbetracht der „Rezepte“ sowohl unserer Regierung als auch der Opposition und „Experten“ ist die Lage sogar hoffnungslos, es sei denn… daß eine Aufwärtsspirale in Gang gesetzt wird, die das Land mit Geld überschwemmt. Statt sich im Dickicht irrelevanter Details zu verlieren, sollte man zehntausend Schritte zurücktreten, das Gesamtbild betrachten und grundsätzlich fragen:

  1. Was wollen wir?
  2. Was können wir?
  3. Was haben wir?
  4. Wie müssen Systeme aussehen, die unseren Zielen und Möglichkeiten entsprechen?

Wir wollen das Gegenteil dessen, was die etablierten Parteien und „Experten“ predigen. Wir wollen keine ohnmächtigen Objekte sein, die sich den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen haben. Wir wollen z.B. Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt genau umdrehen. Wir wollen uns gut bezahlte Arbeitsplätze aussuchen können, hohe Nettolöhne, sichere und hohe Renten, ein gutes Gesundheitssystem, endlich wirklich gute und richtige Bildung, ernsthaften Verbraucherschutz, endlich ein gerechtes Justizsystem, so wenig Bürokratie wie möglich, funktionierende Finanzmärkte, echte Solidargemeinschaften, saubere Energie, und, und, und. Raus aus der Abwärtsspirale, hinein in eine Aufwärtsspirale. Ein Wirtschaftssystem, das uns Wohlstand sichert, selbst wenn es (im ungünstigsten Fall) weder wächst, noch innovativ ist, noch Exportüberschüsse erzielt, sondern einfach nur ein konstant hohes Niveau hält. Eine Volkswirtschaft, die zur Not sogar ohne Außenhandel komfortabel überleben könnte, wenn eine allzu entfesselte Weltwirtschaft es unumgänglich machte. Der Wunschzettel ist zwar lang, aber mit bereits vorhandenem Know-how realisierbar.

Deutschland hat (nach den USA) den zweitwichtigsten Absatzmarkt der Welt (Japan ist uninteressant, weil es sich protektionistisch abschottet, China versorgt sich zunehmend selbst, siehe 1.3.12.). Leider haben die etablierten Parteien und Experten nicht die geringste Idee, wie man den Nutzen aus Deutschlands Binnenmarkt ziehen kann (3.4., 3.6.). Alle großen Probleme Deutschlands sind lösbar – sofern die Wähler denjenigen den Auftrag erteilen, die diese Lösungen umsetzen können und wollen (8.2.).