Leseprobe 8.1.: Das Karussell der Zwickmühlen-Verwaltungs-Parteien

„Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“ (Kurt Tucholsky)

„Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Darum an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

(Jesus, Bergpredigt, Matthäus-Evangelium, Kapitel 7 – und nein: Ich bin nicht religiös, sondern Atheist)

Sie werden sich vermutlich fragen, warum in diesem Buch der Begriff „etablierte Parteien“ so oft verwendet wird. Dies geschieht sehr bewußt. Vorbild ist der römische Senator Marcus Porcius Cato Censorius (234-149 v. Chr.). Cato beendete jede seiner Reden im römischen Senat mit „Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden muß“. Dies führte letztendlich zu dem Erfolg, daß Rom sich zum Angriff auf Karthago entschloß, es besiegte und neu aufbaute. Im Übrigen bin ich der Meinung, daß alle etablierten Parteien für Deutschlands Probleme verantwortlich sind und deshalb schnellstmöglich abgewählt werden müssen.

Die etablierten Parteien erinnern an den Witz von dem Autofahrer, der seinen Autoschlüssel verlor und ihn 100 Meter weiter unter einer Laterne sucht. Darauf angesprochen meint er: „Ich weiß, daß der Schlüssel woanders liegt. Aber hier ist es wenigstens beleuchtet.“ Beispiele:

  • Alle etablierten Parteien sind der Ansicht, Deutschland habe ein Konjunktur- bzw. Wachstumsproblem. Das ist falsch. Deutschland hat ein strukturelles Problem. In Hinsicht auf die fehlkonstruierten Strukturen ist Deutschlands Konjunktur erstaunlich gut. Und selbst eine starke Konjunktur / starkes Wachstum würde an den Arbeitsplätzen vorbeilaufen, weil seit den 90er-Jahren massenhaft billigere Arbeitskräfte in Osteuropa und Asien verfügbar sind (2.1.11.).
  • Sie verkünden ständig gute Nachrichten: Der Aufschwung kommt, die Wirtschaft wächst, ein „Geschäftsklimaindex“ steigt, Unternehmensgewinne steigen, usw. Aber die Zahl echter Arbeitsplätze sinkt.
  • Die etablierten Parteien erklären, daß Deutschlands Unternehmen gegenüber Billiglohnländern „mindestens so viel besser sein müssen, wie sie teurer sind“ und die Zukunft des Arbeitsmarktes in der Hochtechnologie liege. Gleichzeitig fördern sie massiv den Know-how-Transfer ins Ausland (3.12.) und geben den technischen Vorsprung aus der Hand.
  • Steuererhöhungen und die Kürzung der Staatsausgaben sind im jetzigen System unerläßlich, um den Staatsbankrott hinauszuzögern, vernichten aber gleichzeitig Arbeitsplätze.
  • Sinken die Löhne nicht, sind Deutschlands Arbeitnehmer (bis hin zu Hochqualifizierten) im globalen Vergleich bei weitem zu teuer. Die Folge ist eine steigende Arbeitslosigkeit. Sinken die Löhne, sinken die Kaufkraft und die Unternehmensumsätze. Die Folge ist ebenfalls eine steigende Arbeitslosigkeit.
  • Die Globalisierung mit der bisher untrennbar verbundenen globalen Lohnkostenkonkurrenz erklären die etablierten Parteien als „Chance für Deutschlands Wirtschaft“, obwohl Deutschlands Arbeitnehmer dabei nur verlieren können (2.1.3., 2.1.12., etc.).
  • Produktivitätssteigerungen machen immer mehr Arbeitnehmer überflüssig (1.3.2.). Dieses betrachten die etablierten Parteien sogar als Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems.
  • Den langfristig nahezu vollständigen Verlust von Arbeit durch Automation (2.1.2.) nehmen sie nicht einmal zur Kenntnis.
  • Die etablierten Parteien wollen Familien/Geburten fördern. Abgesehen von unverändert unzureichender Kinderbetreuung machen die etablierten Parteien den Arbeitsmarkt immer familienfeindlicher durch Niedriglöhne (1.13.), längere Arbeitszeiten (1.3.6.1.) und die Abschaffung des Kündigungsschutzes (2.2.16.). Ohne finanzielle Sicherheit und Planbarkeit können verantwortungsbewußte Menschen keine Familie gründen. Männer ohne ausreichendes Einkommen haben zudem kaum Chancen, eine Partnerin zu finden, mit der sie eine Familie gründen können/wollen (auch aus Sicht der Frauen gibt es viel zu wenige finanziell potente Partner und potentielle Väter). Je weiter die etablierten Parteien die Arbeitsplätze „flexibilisieren“ und die Löhne herunterfahren, desto schneller stirbt Deutschland aus.
  • Ihr von 16 Ländern zerrissenes Bildungssystem halten sie (trotz weitgehend lebensfremder Lehrplänen und der geringsten Chancengleichheit aller Industrienationen) für grundsätzlich gut.
  • Die etablierten Parteien haben weder begriffen, daß der globale Qualifikationswettbewerb nicht zu gewinnen ist, noch haben sie eine Idee, wie Nicht-Genies Arbeitsplätze finden/behalten können (2.1.4.).
  • Die etablierten Parteien schufen das absurdeste Steuersystem der Welt (3.1.) und sind außerstande, die zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben nötigen Einnahmen zu organisieren. Im Gegensatz zur Vermutung der etablierten Parteien hat der Staat nicht zu hohe Ausgaben, sondern zu geringe Einnahmen.
  • Im Koalitionsvertrag 2005 zwischen CDU, CSU und SPD steht auf Seite 64ff., daß sie sich nicht einmal imstande sehen, nur Neuverschuldung zu beenden. In sämtlichen Parteiprogrammen existiert der Schuldenabbau nicht einmal als Ziel. Der Schuldenabbau durch Wachstum funktioniert seit 40 Jahren nicht.
  • Die Regierungsparteien propagieren, daß sich die Konjunktur in einem Aufschwung befinde und verkünden gleichzeitig, daß das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ so schwer gestört sei, daß man nicht ohne zusätzliche Schulden regieren könne (http://de.wikipedia.org/wiki/Magisches_Viereck).
  • Die etablierten Parteien verstehen nicht, daß der Export an den Arbeitnehmern vorbeiläuft (1.3.11.).
  • Mit der Förderung von Niedriglöhnen und Mini-Jobs zerstören die etablierten Parteien nicht nur sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, sondern auch das beitragsfinanzierte Rentensystem, das für die meisten Menschen nicht mehr zu bieten hat als Sozialhilfeniveau. Tendenz: stark sinkend (4.1.).
  • Die etablierten Parteien fordern von den Bürgern, ihre angeblichen Ersparnisse für den Konsum auszugeben (3.13.) Gleichzeitig fordern sie Eigenvorsorge bei den Renten, lassen ihnen aber keine Mittel dazu und nennen das „Freiheit“.
  • Mit der Zerstörung der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze arbeiten die etablierten Parteien auch gegen ihr verkündetes Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, da sowohl die Zahl der Sozialversicherungseinzahler als auch die eingezahlten Durchschnitts- und Gesamtbeträge sinken.
  • Bei Arbeitnehmern/Arbeitslosen über 58 können sich die etablierten Parteien nicht zwischen Vorruhestand (Finanzierung durch die bankrotte Rentenkasse) und „Arbeitslosigkeit bis 67“ (Finanzierung durch den bankrotten Staatshaushalt) entscheiden. Probleme löst keines von beiden.
  • Zur „Sicherung“ des Rentensystems wollen die etablierten Parteien das Rentenalter um 2 Jahre anheben. Gleichzeitig steigt aber die Lebenserwartung der Menschen bis 2040 um 9 Jahre (4.1.1.). Zudem muß jeder später aus dem Arbeitsmarkt ausscheidende Jahrgang am Arbeitsmarkt untergebracht werden. Aber wer beschäftigt über-60-Jährige (2.1.6.)? Auch jeder früher in dem Arbeitsmarkt eintretende Jahrgang (Schul- und Studienverkürzungen) muß am Arbeitsmarkt untergebracht werden.
  • Die etablierten Parteien haben vor den „Investoren“ nicht nur kapituliert, sondern fördern sie sogar noch. Sie unterwerfen Deutschland ohne Not einem Börsensystem, das das Gegenteil der Arbeitnehmer-Interessen verfolgt und eine seriöse Geldanlage unmöglich macht (5.1.).
  • Das von den etablierten Parteien in den letzten Jahrzehnten konstruierte Gesundheitssystem ist finanziell gescheitert (6.1.1., 6.1.7.), stellt die Lobbyisten über die Patienten, macht sich von der Pharmaindustrie abhängig (6.1.5., 6.1.8., 6.1.9.), ist qualitativ absolut unbefriedigend (1.11.), benachteiligt die gesetzlich Versicherten massiv und schließt über 3 Millionen Menschen von der Krankenversicherung aus (6.1.6.). Wer immer gerade an der Regierung ist, hält dieses Gesundheitssystem für eines der besten der Welt. Im Gegensatz zur Meinung der etablierten Parteien hat Deutschland im Gesundheitssystem keine zu geringen Einnahmen – sondern viel zu hohe Ausgaben.
  • Die etablierten Parteien haben Deutschland mit dem völlig überflüssigen und extrem teuren Ballast des Föderalismus beladen (7.1.), der das Land – außer bei einer Großen Koalition – unregierbar macht. Gleichzeitig beklagen sie aber nicht nur die selbst verursachte Lähmung, sondern verschärfen das Problem durch die zusätzliche Unterordnung Deutschlands unter die der EU (7.2.).

 

Vorfahrt für Arbeit! Mehr Wachstum! Sichere Renten! Senkung des Haushaltsdefizits! Senkung der Lohnnebenkosten! Einfacheres Steuersystem! Bessere Kinderbetreuung! Mehr Geld für Bildung und Forschung! Soziale Sicherheit! Usw. Frage an Sie, liebe Leser: Stammen diese Aussagen (sinngemäß)

  • aus dem Wahlkampf 1990?
  • aus dem Wahlkampf 1994?
  • aus dem Wahlkampf 1998
  • aus dem Wahlkampf 2002?
  • aus dem Wahlkampf 2005?
  • aus dem Wahlkampf 2009?
  • aus dem Wahlkampf 2013?
  • aus dem Wahlkampf 2017?
  • aus dem Programm von CDU und CSU?
  • aus dem Programm der SPD?
  • aus dem Programm der Grünen?
  • aus dem Programm der FDP?
  • aus dem Programm der Linkspartei

Richtige Antworten: Alle.

Schwamm drüber. Die entscheidende Frage ist, wer künftig Ihr Vertrauen verdient. Der Antwort darauf kann man sich am besten nähern, wenn man die Programme der im Bundestag vertretenen Parteien vergleicht. Denn etwas anderes ist nicht im Angebot. Noch nicht.

Keine Partei (auch nicht außerhalb des Bundestags) hat auch nur den Hauch einer Idee, wie man z.B. die Staatsschulden tilgen könnte (3.1.6.). Die Unterschiede zwischen SPD, Grünen, CDU, CSU und FDP sind in den großen Problemfeldern weitaus geringer, als es deren Wahlkämpfe glauben machen wollen. Das mit Abstand wichtigste Problemfeld ist der Arbeitsmarkt. Persönliche Lebensqualität, Staatsschulden, Finanzierung von Renten, Gesundheitssystem und sämtlichen staatlichen Aufgaben – am Arbeitsmarkt hängt einfach alles. Findet hier niemand eine Lösung, wird Deutschland zusammenbrechen. Es ist also sinnvoll, die Wahlprogramme und Erfolge der im Bundestag vertretenen (und somit einzig handlungsermächtigten) Parteien in Hinsicht auf den Arbeitsmarkt zu vergleichen. Im Bundestag sitzen 4 Lager, die interessanterweise nur Variationen ein und desselben FDP-Konzepts anbieten: Niedriglöhne und Druck auf Arbeitslose.