Im Gegensatz zu den beiden illegalen Steuerhinterziehungsmethoden gibt es für Unternehmen zwei legale Möglichkeiten, die Steuerlast zu reduzieren. Möglichkeit Nr. 1. – die Absetzung von zusätzlichen Arbeitsplätzen von der Steuer (2.2.3., 3.4.) – ist beabsichtigt. Möglichkeit Nr. 2 wäre ein riesiges Problem, wenn man es unbeachtet ließe: Die Verkürzung von Wertschöpfungsketten durch Erhöhung der Fertigungstiefe. Was heißt das? Beispiel „Automobilindustrie“:
Automobilkonzerne kaufen komplette Scheinwerfersysteme bei Zulieferern wie Hella. Hella bezieht wiederum die Einzelteile der Scheinwerfer bei seinen Lieferanten, z.B. Leuchtmittel (Glühbirnen) bei Osram. Osram kauft wiederum Einzelteile (z.B. Wolfram-Wendelglühfaden) bei seinen Lieferanten ein. Jedes dieser Unternehmen schlägt z.B. 15% Umsatzsteuer auf. Die Controller der Automobilkonzerne werden angesichts der relativ hohen Umsatzsteuer nachrechnen, ob es nicht billiger wäre, entweder die Hersteller der Komponenten aufzukaufen und in die Konzerne zu integrieren oder die Komponenten selbst zu produzieren. Meist werden sie zu dem Ergebnis gelangen, daß nach wie vor der Einkauf bei Lieferanten billiger ist. In einigen Fällen könnten sie jedoch errechnen, daß die Eigenproduktion z.B. von Scheinwerfern, Fensterhebern, Sitzen, Getrieben und Türschlössern billiger wäre als der Kauf bei Zulieferern wie Hella, Brose, Grammer, ZF oder Kiekert. Mit der nun innerbetrieblich verlängerten Verarbeitungskette wäre die Gesamtwertschöpfungskette verkürzt – und die Zulieferindustrie ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die Konzerne würden zwar größer, aber nicht groß genug, um die Arbeitsplatzverluste bei den Zulieferern ausgleichen zu können. Dem Ziel der Vollbeschäftigung würde entgegenwirkt. Man kann daher neben der unternehmensbezogenen Umsatzsteuer die konzentrationsbedrohten (Vor)-Produkte (und nur diese) mit einem zusätzlichen Steuersatz besteuern, der es für die Unternehmen billiger macht, sie extern einzukaufen, als sie selbst herzustellen. Die Anwendung einer „Vorprodukt-Umsatzsteuer“ (siehe 3.2.2., § 2 und Anlage 2 des Umsatzsteuergesetzes: Vorprodukte/ Dienstleistungen) kann jeder Hersteller für seine Produkte beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen, welches unter Abwägung von Beschäftigungschancen und betrieblichem Aufwand eine Abstimmungsvorlage für den Bundestag erstellt. Sofern man die Vorprodukte bis auf Rohstoffebene differenziert, ist sogar der Erhalt der Aluminiumproduktion (zumindest für den innerdeutschen Bedarf) möglich. Die Nummerierung der Produktkategorien und Untergruppen existiert im Wesentlichen bereits beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Form des sogenannten „Umschlüsselungsverzeichnisses“. Für die Vorprodukt-Umsatzsteuer kann man also eine bereits vorhandene amtliche Produktnummerierung nutzen.
Auch durch die Verschmelzung von Industrie und Handel (Fabrikverkauf) entsteht die Möglichkeit, durch die Verkürzung von Wertschöpfungsketten Steuern zu vermeiden. Normalerweise würden Produkte an den Handel verkauft und 15% Umsatzsteuer aufgeschlagen, auf die der Handel noch einmal 15% Umsatzsteuer aufschlägt. Wenn nun ein Industrieunternehmen als Händler agiert, könnte es sich die 15% Umsatzsteuer an den Handel sparen. Die Versuchung ist für Industrieunternehmen zu groß, den Handel auszubooten. Darum besteht die einzig logische Konsequenz darin, daß Fabrikverkäufe kombiniert versteuert werden müssen, d.h. der Verkäufer schlägt 15% und darauf noch einmal 15% (also insgesamt 30%) auf, so daß der Fabrikverkauf aus Sicht des Handels steuerlich neutral ist.
Gesetzentwurf dazu: siehe 3.2.2., § 2 (2) UStG.